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Zum Stand der Wiedervereinigung: Die Klasse Ea besucht das Ernst-Barlach-Gymnasium in Schönberg


Nur knapp 20 Kilometer liegen die beiden Städte Lübeck und Schönberg auseinander, aber die wenigsten Schülerinnen und Schüler der Klasse Ea unserer Schule waren schon einmal in der 4400 Einwohner großen Stadt in Mecklenburg-Vorpommern. Höchste Zeit also, das zu ändern. In Vorbereitung auf die Diskussion mit den Ministerpräsidenten der beiden Bundesländer, Manuela Schwesig und Daniel Günther, im Rahmen der Feierlichkeiten zum Mauerfall am 9. November besuchten die TMSler das Ernst-Barlach-Gymnasium Schönberg.

Lehrerin Astrid Golla erwartete die Klasse am Bahnhof und führte sie durch den Ort, am Kino und dem ehemaligen Jugendclub entlang, die heute verwaist an der Hauptstraße liegen,

am Kriegerdenkmal vorbei, das an die gefallenen Soldaten bei der Schlacht um Berlin erinnert,

zur Grundschule. Die Lübecker Schülerinnen und Schüler staunten nicht schlecht, dass berühmte Persönlichkeiten wie Werner von Siemens und Ernst-Barlach dort die Schulbank gedrückt haben.

In unmittelbarer Nachbarschaft zur Grundschule liegt die ehemalige Kaserne der Nationalen Volksarmee, in der zu DDR-Zeiten die Grenzsoldaten untergebracht waren und in der sich heute eine Privatschule in Trägerschaft der evangelischen Kirche befindet.

Am Obersee entlang ging es zum idyllisch gelegenen Gymnasium,

dessen Gebäude in der Weimarer Republik errichtet wurde und dessen berühmtester Absolvent der populäre Musikproduzent und DJ Felix Jaehn ist.

Im „grünen Klassenzimmer wurde zunächst gepicknickt,

bevor die Schülerinnen und Schüler der TMS in der Aula auf die Schönberger Schülerinnen und Schüler stießen.

Dort arbeiteten die Lübecker und Schönberger Schülerinnen und Schüler zum Thema „Deine Zukunft im Norden“. In Gruppen tauschten sie sich zu unterschiedlichen Fragen aus: Wie verbringst du deine Freizeit? Welche Mitbestimmungs- und -gestaltungsmöglichkeiten hast du an deiner Schule? Welche Ausbildungs- und Studienmöglichkeiten gibt es in deiner Stadt? Was schätzt du an deinem Bundesland? Wo und wie willst du in 10 Jahren leben? Inwiefern beeinflusst die Wiedervereinigung das Leben deiner Familie heute? Wie beurteilst du die politische Situation in deinem Bundesland? Welche Erwartungen hast du an die Europäische Union? Das sind nur einige Fragen, über die die Jugendlichen miteinander ins Gespräch kamen.

Ihre Antworten notierten die Gruppen auf Flipchartbögen, bevor sie zum nächsten Tisch und Thema wechselten und dort ihre Antworten ergänzten. Nachdem sie alle Stationen durchlaufen hatten, präsentierten die Jugendlichen die Ergebnisse.

Verblüfft stellten sie fest, wie viele Gemeinsamkeiten diesseits- und jenseits der Landesgrenze bestehen. Die Jugendlichen beider Bundesländer schätzen die naturnahe Lage ihrer Städte, die Nähe zur Ostsee, das kooperative Klima an ihren Schulen, die viele Entfaltungsmöglichkeiten einräumen, z.B. in Arbeitsgemeinschaften, Schülerfirmen oder Hausaufgabenhilfe der älteren für jüngere Schüler. Was die technische Ausstattung angeht, steht das Ernst-Barlach-Gymnasium der TMS in nichts nach: Alle Klassenräume sind mit interaktiven Smartboards ausgestattet.

Ihre Zukunft sehen die Schülerinnen und Schüler im Norden. Auch wenn sie zum Studieren die Heimatstadt verlassen und viele von ihnen vorübergehend ins Ausland gehen wollen, einig waren sich die Schönberger und Lübecker Schüler darin, dass sie später dauerhaft im Norden leben wollen. Diese Antwort dürfte die Ministerpräsidenten der beiden Bundesländer freuen, denn sowohl Mecklenburg-Vorpommern als auch Schleswig-Holstein sind Flächenländer, die mit dem Strukturwandel und der Abwanderung junger Arbeitskräfte aus dem ländlichen Raum zu kämpfen haben, wie auch an wunderschönen historischen, aber leer stehenden Häusern im Zentrum Schönbergs zu erkennen ist.

Daneben formulierten die Jugendlichen aber auch Wünsche an die Politik: Ein leistungsfähigeres Internet steht bei den Schönberger Schülern ganz oben genauso wie ein Ausbau des öffentlichen Personennahverkehrs. Diesen Wunsch konnten die Lübecker gut nachvollziehen. Sie waren mit dem Zug angereist, der nur einmal in der Stunde die Hansestadt mit Schönberg verbindet. Ein Besuch der Klasse Ea im Museum „Grenzhus“ in Schlagsdorf war wegen fehlender Busverbindungen nicht möglich.

Die wichtigste Erkenntnis des Tages für alle Teilnehmer lautete: Mit Kategorien wie Wessi und Ossi können heutige Jugendliche nichts mehr anfangen. Die Schülerinnen und Schüler diesseits und jenseits der ehemaligen innerdeutschen Grenze teilen angesichts der hohen Zustimmung zu Positionen extremer Parteien die Sorge über eine politische Spaltung der Gesellschaft. Eine Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West, aber auch innerhalb der EU sowie eine gegenseitige Anerkennung von Bildungsabschlüssen sind Wünsche, mit denen sie die Ministerpräsidenten am 9. November konfrontieren wollen.

Wir danken Frau Golla und ihren Schülerinnen und Schülern für den herzlichen Empfang und die gute Zusammenarbeit sowie der Staatskanzlei Mecklenburg-Vorpommern für die Übernahme der Fahrtkosten.

Text und Fotos: Mechthild Piechotta