Wie viel Neandertaler steckt in uns?
Am Dienstag, den 21.03.2023 besuchte das Bioprofil, die Klasse Q1d von Frau Milanesi, einen Vortrag. Im Großen Saal der Gemeinnützigen erklärte Frau Dr. Bärbel Kunze uns etwas über den Nobelpreisträger für Physiologie und Medizin 2022, Svante Pääbo. Der finnische Wissenschaftler beschäftigt sich mit der menschlichen Evolution und der Frage, wie viel Neandertaler noch in uns steckt.
Nicht nur die Räumlichkeiten und das Ambiente der Veranstaltung überzeugten uns, sondern besonders die motivierte und strukturierte Art des Vortrages von Frau Dr. Kunze. Langsam führte diese uns zum Thema hin. Auch ohne Vorwissen konnte man ihr sehr gut folgen.
Svante Pääbo beschäftigt sich schon seit vielen Jahren mit der Paläogenetik, also mit Untersuchungen an fossilem Material (aDNA = ancient DNA). So entzifferte er bereits die DNA von ägyptischen Mumien.
Bei einem lebenden Menschen reparieren Reparaturmechanismen DNA-Schäden. Durch den Tod eines Menschen können diese nicht mehr wirken und die mechanischen und chemischen Schädigungen laufen weiter. Zudem haben viele andere Faktoren Einfluss darauf, wie gut die Rekonstruktion der ancient DNA ablaufen kann. Die DNA kann durch Trockenheit, zu viel Sauerstoff oder Permafrost verändert werden, desweiteren durch Abdrücke oder Verschmutzungen von anderen Lebewesen. Aus diesem Grund weiß man nicht, wie gut die fossile DNA erhalten ist, und lange Zeit konnte man sie nicht rekonstruieren. Mit diesen Problemen hatte auch Pääbo lange Zeit zu kämpfen.
Irgendwann stellte man fest, dass die DNA in Zellen der Knochen oder der Zähne relativ gut erhalten bleibt. Svante Pääbo wollte versuchen, die DNA aus den Knochen oder den Zähnen zu rekonstruieren. Hierfür nahm er Kontakt mit dem Rheinischen Landesmuseum in Bonn auf, zu dessen wichtigsten Exponaten die Knochen des Neandertalers, der 1856 bei Düsseldorf gefunden wurde, gehören. Ein Oberarmknochen wurde ihm für seinen Arbeit zur Verfügung gestellt.
Zunächst isolierte Pääbo 1996 die DNA aus dem Knochenmaterial. Einen Teil davon schickte er nach Großbritannien, um dort ein Parallelexperiment durchzuführen. So konnte man Ergebnisse doppelt beweisen und absichern.
Danach war Präzisionsarbeit gefordert, um weitere Verschmutzungen der ancient DNA zu vermeiden. Zuerst fokussierte sich Pääbo auf die DNA aus den Mitochondrien, weil die im Vergleich zu der DNA aus dem Zellkern in einer höheren Anzahl an Kopien vorliegt. 1997 gelang es ihm, die Erbsubstanz der Mitochondrien zu isolieren und hatte ein Stück Neandertaler-Erbgut.
Doch Pääbo gab sich damit nicht zufrieden. Denn im Gegensatz zur DNA aus dem Zellkern ist das mitochondriale Genom klein und enthält nicht alle Gene, die ein Lebewesen auszeichnen. Die Aussagekraft kann deshalb in Frage gestellt werden. 2010 gelang es Pääbo schließlich, ein vollständiges Neandertaler-Genom zu rekonstruieren.
Die Entzifferung des Neandertaler Genoms war ein Grund, weshalb er den Nobelpreis 2022 bekommen hat. Mit seinen Forschungsergebnissen sind neue Erkenntnisse für die Zukunft verbunden. Pääbo stellte fest, dass sich der Neandertaler und der moderne Mensch parallel entwickelt haben. Außerdem stellte er fest, dass vor ca. 50.000 Jahren eine Durchmischung beider Frühmenschen in Osteuropa und Asien stattfand. Sie pflanzten sich fort und so enthält das Genom vom Jetzt-Menschen noch etwa vier Prozent des Neandertaler-Genoms.
Svante Pääbo entschlüsselte darüber hinaus auch den Denisova Menschen. Dessen fossile Knochen, die 2008 in der Denisova-Höhle im Altai-Gebirge in Sibirien gefunden wurden, nutze Pääbo, um die ancient DNA zu rekonstruieren, und stellte fest, dass es sich um eine bis dahin unbekannte Frühmenschenart handelt. Diese hatte auch Kontakt zum modernen Menschen.
Somit zählt Svante Pääbo zu den Begründern der Paläogenetik. Mit seinen Untersuchungen konnte er unsere Kenntnisse der Evolutionsgeschichte des modernen Menschen erweitern und einige bis dahin noch ungeklärte Fragen beantworten. Aus diesem Grund wurde Svante Pääbo am 10. Dezember 2022 in Stockholm der Nobelpreis für Physiologie und Medizin überreicht.
An dieser Stelle möchten ich mich, im Namen der ganzen Klasse bei „Der Gemeinnützigen“ und allen Mitwirkenden bei dem Vortrag bedanken. Ein besonderer Dank gilt Frau Dr. Bärbel Kunze und unsere Klassenlehrerin Frau Milanesi.
Text und Fotos: Suna D., Klasse Q1d