Drei Tage Berlin: eine historisch-politische Exkursion der Q2a und Q2b
Auf Einladung des Abgeordneten Tim Klüssendorff durften zwei Klassen des Abiturjahrganges eine Exkursion nach Berlin erleben, die uns durch ein abwechslungsreiches, intensives Programm Einblicke in den Politikbetrieb, Ministerien und Museen ermöglicht hat.
Mittwoch, den 01.03.23
Aufklärung durch Gedenken
Nach unserer Fahrt von Lübeck nach Berlin stiegen wir beim Mauermuseum Bernauer Straße aus. Wir bekamen eine kleine Einführung und gingen dann in den „Todesstreifen“, auf dem noch Reste der Mauer, die Ost- und West-Berlin von 1961 bis 1989 durchschnitt, standen. Uns fielen sofort Fotos und Texttafeln auf mit Namen, Sterbedatum und -ort. Wir standen relativ lange vor diesen Tafeln, geschockt, denn dort hingen die Fotos der Geflüchteten, derjenigen, die bei dem Versuch, in den Westteil der Stadt zu kommen, von Soldaten der Nationalen Volksarmee erschossen wurden. Was uns so schockiert hat, war, dass da viele Fotos von Jugendlichen in unserem Alter hingen. Jugendliche, die frei sein wollten, die ihre Zukunft verändern wollten, die es gewagt hatten, zu fliehen, obwohl sie genau wussten, dass sie unter Umständen genau diese Zukunft verschenken würden. Wir haben nach der Schule alle Möglichkeiten, aber die? Und sie haben es trotzdem gewagt. Noch erschreckender war zu realisieren, dass die Menschen teils wenige Tage vor dem Mauerfall gestorben sind. Selbstverständlich wussten wir um diese Umstände, aber es wirklich durch individuelle Schicksale vor Augen geführt zu bekommen, war etwas ganz anderes.
Insofern setzten wir uns nochmal intensiv mit den Gestorbenen, das heißt Geflüchteten, auseinander, gerade weil wir ihrer durch die Infotafeln gedachten.
(Philippa L., Q2b)
Das Schloss Bellevue steht mitten in Berlin und ist der Hauptsitz des Bundespräsidenten. Es ist ein punktvolles Gebäude aus dem 18. Jahrhundert, das auf einem riesigen Gelände steht. Anfangs war mir nicht klar, weshalb ein solches Schloss mitten in Berlin steht.
Unser Guide erklärte uns, dass dieses Schloss vom preußischen Prinzen Ferdinand gebaut wurde. Heutzutage dient es als Amtssitz des Bundespräsidenten. In Schloss Bellevue empfängt er Gäste, es dient als Arbeitsplatz und auch als Ort für Zeremonien und Feiern. Es dient also sowohl zu repräsentativen, als auch zu funktionalen Zwecken.
( Moritz V., Q2b)
Am Donnerstag den 02.03.23 waren wir um 10:00 Uhr zu einem Informationsgespräch in der Deutschen Bundesbank eingeladen. Wie gewohnt sind wir mit allen Mitreisenden zum Treffpunkt vor der Bundesbank in Berlin-Charlottenburg gefahren und mussten durch einen Sicherheitscheck. Im Vorraum wurden wir von einer Mitarbeiterin empfangen und in den Raum der Präsentation geführt. Die Referentin hat uns erst einmal in das Thema Geld und Banken eingeführt. Sie hat uns aufgeklärt, wie Geld entsteht und welche Rolle die Banken in diesem Prozess spielen. Im Laufe des Vortrags hat sie uns über Kredite, Preisstabilität und die Geldpolitik Europas informiert.
Leider hatten viele das Gefühl, dass wir als Schüler und Schülerinnen nicht die richtige Zielgruppe waren. Die Präsentation hatte ein sehr hohes Niveau und man benötigte ein gewisses Grundverständnis für Wirtschaft und Finanzen. Deshalb wäre es eher etwas für Studenten und Studentinnen gewesen.
Was jedoch abschließend sehr aufschlussreich war, war der Appell, den sie uns am Ende mit auf den Weg gegeben hat. Bevor man Geld anlegt, sollte man sich die Prognosen über das Inflations- und Zinsverhalten ansehen!
(Paula B., Q2b)
Im Anschluss daran haben wir die Landesvertretung von SH besucht. Die Bundesländer Schleswig-Holstein und Niedersachsen haben gemeinsam ein Gebäude für ihre Vertretungen gebaut. Es ist ein modernes Gebäude und liegt mitten Regierungsviertel. Nach einem Mittagessen zu Beginn hielt eine Mitarbeiterin einen Vortrag über die Funktion bzw. die Aufgaben der Landesvertretung. Dabei waren viele Aspekte bereits bekannt, z.B. dass sie ein Bindeglied zwischen Landes- und Bundespolitik ist. Etwas überrascht war ich, dass es nur 25 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gibt, da hätte ich mehr erwartet, weil in der Politik sonst eher mehr als weniger Leute gebraucht werden.
Beeindruckt war ich vom Gebäude: Die moderne, feine Holz-Glas-Konstruktion vermittelte auch architektonisch den Eindruck von Transparenz. Zum Schluss sind wir gemeinsam noch kurz durch das Gebäude gelaufen. Von einer Plattform hatten wir einen Überblick über den Eingangsbereich und die verschiedenen Etagen. Von innen sah das Gebäude nicht weniger eindrucksvoll aus. Insgesamt hat sich der Besuch durchaus gelohnt, weil es einen spannenden Einblick in ein schönes Gebäude und die Arbeit von Politikern gegeben hat. Wir konnten zwar nicht die Büros sehen, aber dennoch konnten wir zumindest vermuten, wie die Arbeitsatmosphäre ist.
(Juan B., Q2b)
Meine Mitschüler*innen und mich hat der nächste Programmpunkt, die Plenarsitzung sehr begeistert.
Wir haben uns um 14 Uhr vor dem Reichstagsgebäude zusammengefunden und sind durch den äußerst gut organisierten und gründlichen Sicherheitscheck geleitet worden. Dabei ist es notwendig, seinen Ausweis vorzuweisen und keine spitze oder scharfen Gegenstände mit sich zu tragen. Wir haben alle ein Bändchen mit einer Karte dran bekommen, welches uns als Besucher kennzeichnete.
Danach hat uns ein junger Mann zum Eingang des Reichstagsgebäudes geführt, wo wir durch einen Schleuseneingang, bei dem sich die vordere Tür nur öffnet, wenn sich die hintere Tür geschlossen hat, zu einem sehr großen Fahrstuhl geführt wurden, der uns auf die Besucherebene des Bundestags brachte.
Dort mussten wir erst einmal unsere Jacken und Taschen abgeben. Danach haben wir uns an einem der Eingänge zur Besucherebene zusammengefunden, wo wir von einem im Frack gekleideten Mann begrüßt und eingewiesen wurden. Es dürfen während der Plenarsitzung keine Fotos, Videos etc. gemacht werden. Außerdem darf nicht geklatscht, geredet, Schilder hochgehalten werden oder Sticker aufgeklebt werden.
Als wir die Besuchertribüne betraten, hat sich die Atmosphäre von einem wuseligen und aufgeregten Wartezimmer zu einer ruhigen und aufmerksamen Atmosphäre gewandelt. Wir setzten uns alle leise auf unsere Plätze und orientierten uns erst einmal, wie der Bundestag aufgebaut ist. Da wir darüber schon einiges aus dem Wipo Unterricht wussten konnte man sich schnell zurechtfinden.
Es gibt eine Tafel, die durchgehend anzeigt, wer spricht, wer als Zweites und Drittes spricht und um welches Thema es geht.
Es war eine unglaublich spannende Erfahrung, bei so einer Plenarsitzung dabei zu sein. Auch wenn man noch nicht so viel über Politik weiß, kann man schon vieles verstehen. Die meisten Abgeordneten sprachen klar und deutlich, einige waren sogar sehr ergriffen und emotional. Die Debatte handelte einmal von der Verbesserung des öffentlichen Dienstes und zum anderen ging es um den Antrag der Linken „Diplomatie statt Waffen“ zum Ukraine-Russland Konflikt. Außerdem hat der AfD Politiker und Mitbegründer Kay Gottschalk sein Coming-Out preisgegeben, da sein Mann einen Tag vor der Plenarsitzung verstorben war. Diese Rede führte zu einer angespannten Stimmung innerhalb des Bundestags. Es gab keine Zwischenrufe oder anderen Bemerkungen. Nach seiner Rede und einem Abschiedssatz an seinen Mann bekundete die Bundestagspräsidenten Katrin Göring-Eckardt (Grüne) ihr Beileid im Namen des gesamten Bundestags.
Und es gibt reichlich zu sehen: Die meisten Abgeordneten haben technische Geräte vor sich stehen, tippen darauf oder auf ihrem Handy herum. Manche unterhalten sich mit anderen Abgeordneten oder rutschen auf ihren ziemlich interessant konstruierten Stühlen vor und zurück. Außerdem ist konstant jemand in Bewegung, neue Abgeordnete kommen rein und setzen sich, wechseln den Platz oder gehen. Auch die Protokollanten sind im regelmäßigen Wechsel zu beobachten sowie weitere Bundestagsangestellte, die Papiere oder Wasser zum Rednerpult oder zu Abgeordneten tragen.
Auch Zwischenrufe ließen nicht auf sich warten. Sobald ein Abgeordneter am Rednerpult stand, um seine Rede zu halten, schallte es aus verschiedenen Richtungen Gegenrufe, die allerdings respektvoll blieben, was nicht immer so ist.
Die Zeit vor Ort verging viel zu schnell, weil die diskutierten Themen unser Interesse geweckt haben, aber auch das gesamte Geschehen. Wir haben uns im Nachhinein noch lange darüber ausgetauscht.
(Caroline S., Q2b)
Anschließend an die Plenarsitzung war eigentlich noch ein Gespräch mit Tim Klüssendorf geplant. Da dieser aber krank war, wurde er vertreten von seinen zwei Mitarbeitern Jakob und Torben.
Die beiden waren sehr sympathisch und erzählten uns, wie sie und Tim überhaupt auf den Bereich Politik gekommen sind. Tim war bereits seit seiner Schulzeit engagiert bei der Jugendgruppe der SPD und lernte dort unter anderem auch Torben kennen. Als Tim sich später dazu entschied, im Bundestagswahlkampf als Direktkandidat in Lübeck anzutreten, fragte er Torben, ob er ihm helfe, und sie wurden so zu einem Team. Als Tim also nach dem gewonnenen Wahlkampf nach Berlin ging, nahm er Torben mit und fragte ihn, ob ihm noch jemand für ihr Team einfallen würde, woraufhin Torben Jakob vorschlug.
Interessant fand ich, dass Jakob uns noch einmal verdeutlicht hat, dass man, um in der Politik aktiv zu sein, kein Studium oder andere Erfahrung braucht. Man braucht nur den Willen dazu, Fleiß und die eventuellen Kontakte.
Die beiden haben uns sehr viele Fragen beantwortet, wie sie zum Beispiel zu
bestimmten politischen Themen stehen und was sie denken, was sich eventuell in nächster Zeit in der Politik verändern wird. Die Hauptveränderung sahen die beiden in dem Altersdurchschnitt innerhalb der Parteien. Sie meinten, dass es schon jetzt auffällig sei, wie viele junge Menschen im Parlament vertreten seien und welche Parteien sich nicht bemühen, auch jüngere Menschen aufzunehmen. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass beide sehr engagiert und interessiert unsere Fragen beantwortet haben und verdeutlicht haben, dass Politik tatsächlich für jeden etwas ist, der sich damit beschäftigen möchte.
(Finja O., Q2b)
Freitag, 3. März
Am letzten Tag unserer informativen Fahrt nach Berlin ging es gleich nach dem Check-Out am Hotel los. Auf dem Programm stand das Bundesministerium für Bildung und Forschung. Dort lernten wir zuerst das künstlerisch gestaltete Gebäude kennen und konnten dann durch einen Vortrag unser Wissen über die Aufgaben des BMBF erweitern. Vor allem erhielten wir einen Einblick in den Vorgang des BAföG. Da viele von uns bald selbst eine Ausbildung oder ein Studium beginnen, hat das unser Interesse geweckt.
Als wir damit abgeschlossen hatten, fuhren wir mit einer kleinen Stadtrundfahrt fort. In dieser erblickten wir die Kunst der East Side Gallery und konnten gleichzeitig sehen, wie präsent die sowjetische Architektur im Ostteil der Stadt ist. Nach dem gemeinsamen Mittagessen konnten wir zu Fuß zum nächsten und letzten Programmpunkt des Tages gehen, der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen.
Im Zuge der Führung bekamen wir einen Eindruck vom Leben in der DDR und erhielten einen detaillierten Einblick in die Methoden der Stasi. Schließlich war auch diese spannende Führung zu Ende und unser Busfahrer brachte uns sicher nach Lübeck zurück, wo leider unsere erfahrungsreiche Reise endete.
(Aeneas N., Q2a)
Unser Dank gilt Tim Klüssendorf und seiner Mitarbeiterin Frau Tartemann für die Einladung nach Berlin sowie die Ausarbeitung und Durchführung des beeindruckenden Programms. Sie haben uns Türen geöffnet und Einsichten ermöglicht, die in Erinnerung bleiben werden.